Schenken und Bereuen

Sebastian Brant (1458-1521)

Der ist ein Narr, der schenket Gut
Und es nicht gibt mit frohem Mut
Und dazu sauer und böse sieht,
Daß keinem Liebes damit geschieht;
Denn der verliert wohl Dank wie Gabe,
Wer so bedauert verschenkte Habe.
So ist auch der, der etwas schenkt,
Dabei an Gottes Willen denkt,
Und doch hat Reu und Leid davon,
Wenn Gott ihm nicht gleich gibt den Lohn.
Wer will mit Ehren Geschenke machen,
Der tu’s als guter Geselle mit Lachen
Und sprech nicht: »Zwar, ich tu’s nicht gern!«
Will er nicht Dank und Lohn entbehrn.
Denn Gott sieht dessen Gab nicht an,
Der nicht mit Freuden schenken kann;
Das Seine mag jeder behalten wohl,
Zum Schenken man niemand zwingen soll;
Allein aus freiem Herzen kommt
Geschenk, das einem jeden frommt.
Der Dank gar selten verlorengeht;
Wenn er zuweilen auch kommt spät,
So pflegt sich alles doch zu schlichten
Und nach der Ordnung einzurichten.
Mag einer keinen Dank auch sagen,
So find’t man gegen solch Betragen
Bald einen dankbar weisen Mann,
Der alles wohl vergelten kann.
Doch wer vorhält geschenkte Gaben,
Der will den Händedruck nicht haben
Und will nicht warten aufs Vergelten;
Geschenk vorrücken muß man schelten.
Den sieht man über die Achseln an,
Wer seine Wohltat vorhalten kann:
Er selbst gewinnt nicht mehr daran.

Dieses Gedicht ist ein Teil von Sebastian Brants Werk »Das Narrenschiff «. Schon der Titel verrät, dass es sich nicht um ein Weihnachtsgedicht im eigentlichen Sinne handelt. Tatsächlich ist »Das Narrenschiff « erstmals zur Fastnacht 1494 erschienen. Brant nahm das närrische Treiben zum Anlass, der damaligen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Warum haben wir es dann aber in unsere Sammlung besinnlicher Weihnachtsgedichten aufgenommen? Brants Gedanken über die Haltung beim Schenken sind anregend und amüsant: Wieviel Berechnung ist im Spiel? Welche Gegenleistung erwartet oder erhofft man sich? In diesem Sinne kann das Gedicht helfen, uns selbst besser kennenzulernen oder sogar auf die Schliche zu kommen.

Schenken und Bereuen

Der ist ein Narr, der schenket Gut
Und es nicht gibt mit frohem Mut
Und dazu sauer und böse sieht,
Daß keinem Liebes damit geschieht;
Denn der verliert wohl Dank wie Gabe,
Wer so bedauert verschenkte Habe.
So ist auch der, der etwas schenkt,
Dabei an Gottes Willen denkt,
Und doch hat Reu und Leid davon,
Wenn Gott ihm nicht gleich gibt den Lohn.
Wer will mit Ehren Geschenke machen,
Der tu’s als guter Geselle mit Lachen
Und sprech nicht: »Zwar, ich tu’s nicht gern!«
Will er nicht Dank und Lohn entbehrn.
Denn Gott sieht dessen Gab nicht an,
Der nicht mit Freuden schenken kann;
Das Seine mag jeder behalten wohl,
Zum Schenken man niemand zwingen soll;
Allein aus freiem Herzen kommt
Geschenk, das einem jeden frommt.
Der Dank gar selten verlorengeht;
Wenn er zuweilen auch kommt spät,
So pflegt sich alles doch zu schlichten
Und nach der Ordnung einzurichten.
Mag einer keinen Dank auch sagen,
So find’t man gegen solch Betragen
Bald einen dankbar weisen Mann,
Der alles wohl vergelten kann.
Doch wer vorhält geschenkte Gaben,
Der will den Händedruck nicht haben
Und will nicht warten aufs Vergelten;
Geschenk vorrücken muß man schelten.
Den sieht man über die Achseln an,
Wer seine Wohltat vorhalten kann:
Er selbst gewinnt nicht mehr daran.