Weihnachtslied

Theodor Storm (1817–1888)

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht.
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder.
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.

Eigentlich ein bedeutender Vertreter des Realismus, erliegt Theodor Storm hier dem Zauber von Weihnachten. Viele von uns stöhnen über den alljährlichen Weihnachtsrummel, den Stress wegen der Geschenke und übervolle Innenstädte. Warum tun wir uns das immer wieder an? Warum machen wir mit? Vielleicht wegen der verborgenen Sehnsucht nach einer friedlichen Welt, nach der Unbeschwertheit der Kindertage, nach einem »Wunder«. Wenigstens einmal im Jahr.

Weihnachtslied

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht.
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder.
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.